Städte Morgen: Lebensraum

22. Februar 2019

ALTSTADTNEU mit Ideen für bessere Städte

Lebensraum ist etwas Essenzielles. Wenn man dem Menschen diesen vorenthält, spricht man von einer Lebensverschlechterung, oder sogar von Strafe – auch in Form von Gefängnis und Ähnlichem. Man kann also vom Umfeld sprechen, in dem sich die Menschen aufhalten und leben, aber auch von dem, was uns Naturgegeben ist. In vielerlei Hinsicht vermischen sich diese zwei Ansichten, heben sich oft komplett auf.

So ist ein Lebensraum in der Stadt kaum mehr als natürliches Umfeld zu erkennen, eher sogar als Lebensfeindlich. Denn in den Straßen wachsen keine Pflanzen, alles ist auf schnelles Vorankommen niedergebügelt und hat mit den eigentlichen Bedürfnissen des Lebens nichts mehr zu tun.

Das wirft natürlich die Frage auf: Warum wollen wir das so?


Warum ist das so

Viele (vor allem europäische) Städte haben sich über Jahrhunderte zu etwas entwickelt, das sie heute sind. Das fing mit einzelnen Häusern an, daraus entstanden Dörfer, Dörfer wuchsen mit der Zeit zusammen und irgendwann entstand daraus eine Stadt. Das kann man oft noch an den Bezirksnamen von Städten ablesen. Gehwege wurden für Pferde und Kutschen upgedated, dann wiederum für Fahrzeuge. Infrastruktur wurde geschaffen, moderne Lebensqualität und schließlich auch der öffentliche Verkehr.

Platz war und ist deshalb nach wie vor Mangelware, vor über 100 Jahren hatte man Städte (wenn überhaupt) ganz anders geplant. Heute sind Städte oft nicht mehr als Wohnhäuser, Arbeitsstätten, Handelshäuser und Unterhaltungs- & Konsumationstempel. Also wohnt man wo, man arbeitet wo, man kauft wo ein, man geht was Trinken und Essen, sowie einen Film sehen. Die meisten Menschen darin sind auch kaum in der Lage was anderes zu machen, da vieles voneinander abhängt. Das Meiste natürlich vom Job, da ohne Arbeit es weder was zu wohnen, noch Essen, Trinken und Unterhaltung gibt.

Vielen Menschen ist wohl deshalb das eigene Heim so wichtig, da man hier tun und lassen kann, was man will. Sowie kann man alles einrichten und gestalten, wie es einem gefällt. So etwas wie ein öffentlicher Lebensraum war lange Zeit regelrecht unwichtig, manchen ist das Grün der Natur gänzlich abhanden gekommen. Dieser Trend stoppt aber, da sich viele der neuen Generationen wieder mehr vor die Wohnung trauen, sich in Parks setzten und den Alltag nicht nur vor dem Fernseher verbringen.

Nun stehen wir aber vor einem neuen Problem: Woher den Platz nehmen, den wir so herzlich den Fahrzeugen, den Häusern und der Infrastruktur gegeben haben? Immer weniger Menschen besitzen Autos, dennoch ist die Stadt voll damit. Wenn man Straßen umbaut und umplant, wird oft wild geschimpft. Also, wollen die Menschen eigentlich eine Veränderung zum vielleicht Besseren?

Veränderungen

Wenn man sich ansieht was man tun kann, so fällt vor allem das „grüner werden“ auf. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, denn im Gegensatz zu einer Betonplatte, muss man Wiese pflegen, was wiederum Kosten bedeutet.

Sehen wir uns an welche Veränderungen eine Straße mit sich bringen würde, wenn man sie etwas begrünt. Dabei nehme ich eine einfache Gasse zwischen zwei Häuserblocks mitten in der Stadt als Beispiel.

Angenommen man opfert in dem Fall einen Parkplatz pro Straßenseite, um am Anfang und Ende der Gasse Platz zu gewinnen. Hier ist natürlich darauf zu achten, was man einsetzt. Denn der Aufwand und die Pflege wird sehr nach den Pflanzen ausgerichtet sein. Außerdem müssen diese in der Stadt überleben können, ideal sogar immer grüne Pflanzen, die auch nicht zu umfangreich wurzeln, um Rohre und Leitungen in der Nähe nicht anzugreifen.

Drei Schichten: Bodendecker, Sträucher und ein Bäumchen würden eine kleine, grüne Insel bilden. Dies mal vier pro Gasse und es wäre mit einem mal grüner.

Also: Was bringt es? Abgesehen, dass Pflanzen immer einen positiven Effekt auf ihre Umgebung haben, würde bei umfangreicher Bepflanzung die Luftqualität steigen und Platz für verschiedene Tierarten bieten. Im Sommer würden diese Inseln zur Neutralisierung der Hitze beitragen (auch wegen der Verdampfung des dort gespeicherten Wassers) und nicht zuletzt brechen diese auch noch den Schall von Fahrzeugen, was zu einer Lärmminderung führen kann. Sogar der Wind wäre etwas gebrochen, wenn er so durch die Gassen zieht.

Klingt nicht übel, aber zwei Parkplätze pro Gasse für eine lebenswertere Stadt? Da wird es sicherlich viele Aufschreie geben. Kann nicht, darf nicht und so weiter. Doch andererseits kann man sich vorstellen, dass zukünftige Generationen sowieso immer weniger Autos haben werden. Schon, weil man sich das nicht leisten kann. Wohnungspreise werden immer wilder, im Verhältnis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln oder Leihautos, zahlt sich das eigene Auto auch immer weniger aus. Und da ist ein Fleckchen Grün vor der Wohnung wiederum sehr willkommen.

Außerdem steht uns mit der Klimaerwärmung noch ein Thema ins Haus, dass man wirklich nicht mehr ignorieren kann. Alleine 2017 war ein Jahr mit über 40 Tagen, mit über 30 Grad in Teilen Österreichs. 2018 war sogar das wärmste Jahr in der Aufzeichnungsgeschichte, mit 127 Sommertagen, teils großer Trockenheit, 11 Prozent mehr Sonneneinstrahlung und wenn es regnete, dann gleich heftig mit Gewitter und Rekord-Niederschlag. Vielleicht ist eine bessere Zukunft für uns alle es ja wert, auf ein paar Parkplätze zu verzichten.

Menschlichkeit wiederfinden

In den typischen Städten von Mitteleuropa, haben wir eine knappe Sechs-Monats-Schere. Damit meine ich den Schnitt der Monate, die man mehr drinnen, oder mehr draußen verbringt. Denn von etwa April bis Oktober, kann man viel mehr Zeit draußen verbringen und somit seine eigenen vier Wände erweitern.

Man geht in den Park, sitzt in den zahlreichen Sitzgärten von Lokalen, treibt Sport, geht Spazieren, trifft Freunde. Vieles ist davon auch in den Wintermonaten möglich, doch richtig Spaß macht es erst, wenn man nicht abends friert, sobald die Sonne weg ist. Es ist Menschlich zu kommunizieren, zu reden und beisammen zu sitzen. Doch die Umgebung ist nicht immer dafür geeignet, weil wir vieles eben auf das reine Vorankommen getrimmt haben.

Da steht eine Sitzbank direkt an der meist-befahrenen Straße der Stadt. Da ist eine wunderschöne Wiese, direkt zwischen zwei vierspurigen Verkehrsadern. Ein Tisch mit zwei Bänken steht auf einem Betonplatz ohne Schatten mitten in der Sonne und heizt sich schier unendlich auf. Lebensfremd.

Es braucht kein Genie um zu entdecken, dass diese Sachen manchmal einfach an der Umsetzung scheitern. Es ist oft ungesund, laut, gefährlich oder einfach nicht gemütlich. Nur weil wo eine Bank steht, ist diese nicht gleich einladend. Sogar komplette Kinderspielplätze sind oft so positioniert, dass diese meist komplett leer sind.

Planer haben es oft schwer überhaupt Plätze zu finden sowie Geld aufzustellen um das umzusetzen. Doch die Umsetzung sollte eben nicht der Umsetzung wegen passieren, sondern des Menschen wegen. Damit man eben etwas mehr Zeit damit verbringt herauszufinden, wie man eine Sitzgelegenheit freundlicher macht. Wie man Lärm und Gestank raus hält. Wie man Gesundheit und Sicherheit von Anfang an einplant.

Das geht natürlich nur vor Ort, nicht nur auf dem Realitätsfernen Papier.
Und an einem unpassenden Platz kann man wiederum etwas Grün, oder einfach einen Parkplatz machen, anstatt etwas zu forcieren, was nicht funktionieren wird.

Maßnahmen ergreifen

Plant man nun alles um? Wohl nicht. Doch wo neu gebaut und umgeplant wird, da kann man sich mehr Gedanken machen was passiert und wie es aussehen soll. Kinder bekommen oft spektakuläre Spielgeräte in den Park gestellt, die kaum benutzt werden. Gleichzeitig müssen sie auf einem Gummiboden spielen, weil Wiese zu aufwändig ist.

Dabei könnte man Bereiche an der Straße mit Zäunen, Glaselementen, Mauern, oder einfach kleinen Erdhügeln abtrennen. Mit Büschen an der Seite vor allem Lärm, Wind- und Sichtschutz bieten und dank Wiese mit einigen Bäumen sofort ein rundes Paket abliefern, das natürlich aussieht, sicher und gesünder ist. Kinder können spielen, Bereiche sind ordentlich voneinander getrennt.

Hier und da was zum sitzen, vielleicht noch Wasser für Mensch und Tier, in größeren Anlagen ein öffentliches WC, damit nicht jeder in die Büsche gehen muss – was aber eben passiert an Orten, wo sich Menschen treffen.

Esstische im Schatten, eingerahmte Bereiche schaffen um auch wiederum etwas Privatsphäre zu haben. Fahrradstellplätze, sowie kleine Unterstellplätze wenn man mal vom Regen überrascht wird.

Weiters könnte man experimentieren was sonst noch angenommen wird. Ein Grillplatz in der Stadt? Fixe Tischtennisplatten. Ein paar Minigolf Löcher. Schachplätze. Bücherboxen. Pavillons für Gruppen. Schließfächer. Umkleideboxen für Jogger. Hundewaschplätze. Parkplätze zum Autoreinigen. Fixe Whiteboards oder Tafeln für Lerngruppen. Trainings und Klettergeräte. Kegelbahnen. Möglichkeiten gibt es viele.

Und dabei gibt man den Besuchern mehr Verantwortung. Es ist nicht Aufgabe der Stadt, sich um jedes Detail zu kümmern, doch kann diese alles mögliche zur Verfügung stellen. Die Stadt sorgt also für den Rahmen, die Bürger kümmern sich um die Inhalte. Und vielleicht sogar um etwas Instandhaltung und Pflege der gebotenen Anlagen.